Sachverständigenbüro für Architekten-
und Ingenieurhonorare

Gepostet am 16.08.2017

Ein Zuschlag ersetzt nicht die mitzuverarbeitende der Bausubstanz

Für die Anrechnung der mitzuverarbeitenden Bausubstanz ist es nicht von Bedeutung, ob gleichzeitig ein Zuschlag 8 auf das Honorar vereinbart ist. Der Zuschlag bildet den „erhöhten Schwierigkeitsgrad der Leistung“ bei Umbauten, Modernisierungen oder auch Instandsetzungen ab. Hingegen handelt es sich bei der mitzuverarbeitenden Bausubstanz um den Anteil, den sich der Besteller erspart, wenn der Architekt und Ingenieur die vorhandene Bausubstanz gestalterisch oder konstruktiv mitverarbeitet. Beides – Zuschlag und die mitzuverarbeitende Bausubstanz – sind sich ergänzende Honorarbestandteile, die nebeneinander anzuwenden sind. Keinesfalls ersetzt ein Zuschlag die mitzuverarbeitende Bausubstanz.

Ermittlung der anrechenbaren Kosten aus mitzuverarbeitender Bausubstanz

Zunächst ist der Umfang der mitzuverarbeitenden Bausubstanz zu ermitteln und üblicherweise aus Neubaukosten zum Zeitpunkt der Kostenberechnung zu berechnen 9 . Eine ausschließlich zeichnerische Darstellung der vorhandenen Bausubstanz, quasi als Bestandsaufnahme, reicht jedoch dafür nicht aus 10 . Je nach Erhaltungszustand ist eine Reduzierung durch den sogenannten „Wertefaktor“ oder „Zustandsfaktor“ vorzunehmen. Dabei wird davon ausgegangen, dass im Regelfall bei einem Faktor geringer als 0,7 das Bauteil zu ersetzen 11 ist, da eine Weiterverwendung nicht sinnvoll wäre. In Fällen in denen ein ordnungsgemäßer Zustand vor der Mitverarbeitung erst wieder herzustellen ist, sind die Reparaturkosten dafür in Abzug zu bringen

Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass der Architekt oder Ingenieur sich nicht in allen Leistungsphasen gleichermaßen mit der mitzuverarbeitenden Bausubstanz befassen muss. Der sogenannte „Leistungsfaktor“ berücksichtigt den Teil seiner Leistung, bei der der Planer die Bausubstanz auch tatsächlich mitverarbeitet, also sich mit dieser auseinandersetzt. Die Ermittlung der mitzuverarbeitenden Bausubstanz gehört zu einer Honorarermittlung beim Planen und Bauen im Bestand und ist Voraussetzung bei der Vorlage einer prüffähigen Schlussrechnung.

Schriftliche Vereinbarung ist keine Anspruchsvoraussetzung

Um Streitigkeiten zu vermeiden, hat der Verordnungsgeber in § 4 Abs. 3 Satz 2 HOAI 2013 eine schriftliche Vereinbarung über den Wert der mitzuverarbeitenden Bausubstanz vorgesehen. Doch eine solche „schriftliche Vereinbarung“ ist keinesfalls eine Anspruchsvoraussetzung, sondern kann vielmehr als „Aufforderung zur Vereinbarung“ verstanden werden. Gleichzeitig stellt der Verordnungsgeber mit dieser Formulierung klar, dass der Wert der mitzuverarbeitenden Bausubstanz zum Zeitpunkt der Erstellung der Kostenberechnung maßgeblich ist. Wird vorhandene Bausubstanz gestalterisch oder konstruktiv mitverarbeitet, hat der Architekt oder Ingenieur grundsätzlich Anspruch auf eine Vergütung, die die mitzuverarbeitenden Bausubstanz angemessen berücksichtigt.

Mitzuverarbeitendende Bausubstanz nach der HOAI 2009 und der HOAI 1996/2002

Gilt die HOAI 1996/2002, so gelten die beschriebenen Ausführungen gleichermaßen. Kommt die HOAI 2009 zur Anwendung, so sieht die Sachlage etwas anders aus: bei Gebäuden kann für Umbauten ein Zuschlag bis zu 80 % vereinbart werden 12. Auch für Instandsetzungen und Instandhaltungen ist ein Zuschlag vorgesehen 13. Der Verordnungsgeber begründet 14 die hohen Zuschläge bei Umbauten und Modernisierungen mit einer Zusammenfassung von Regelungen zur Vermeidung von Streitigkeiten 15. Dabei kann die BGH-Entscheidung, dass die mitzuverarbeitende Bausubstanz planerisch gestalterisch angemessen zu berücksichtigen ist, bei Anwendung der HOAI 2009 nicht außer Acht gelassen werden. Die mitzuverarbeitende Bausubstanz ist nämlich in dem Zuschlag für Umbauten oder Modernisierungen, aber auch bei Instandsetzungen und Instandhaltungen angemessen und anteilig zu berücksichtigen. Die Höhe des Zuschlags muss nach § 35 HOAI 2009 sowohl den Schwierigkeitsgrad der Leistung als auch den Anteil der mitzuverarbeitenden Bausubstanz widerspiegeln.

Ist jedoch nur ein sehr geringer Zuschlag vereinbart, so liegt eine angemessene Berücksichtigung der mitzuverarbeitenden Bausubstanz ggf. nicht vor, was zu einer Mindestsatzunterschreitung führen kann. Bei einer Mindestsatz-Vergleichsberechnung ist die mitzuverarbeitende Bausubstanz dann ebenfalls zu ermitteln und als prozentualer Anteil in Form eines Zuschlags auf das Honorar umzurechnen. Bei der Honorarermittlung mit mitzuverarbeitender Bausubstanz bei Verträgen im Gültigkeitsbereich der HOAI 2009 ist aufgrund der Komplexität fachliche Unterstützung empfohlen.

Dipl.-Ing. Elisabeth Heinemann
Architektin
Sachverständige für Architekten- und Ingenieurhonorare

8 § 6 Abs. 2 und 3 HOAI; § 12 Abs. 1 und 2 HOAI
9 BGH, Urteil v. 19.06.1986 - VII ZR 260/84
10 BGH, Urteil v. 27.2.2003 - VII ZR 22/02
11 Studie des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie, Dez. 2012
12 § 35 Leistungen im Bestand HOAI 2009
13 § 36 Instandhaltungen Instandsetzungen HOAI 2009
14 amtliche Begründung zu § 35 Leistungen im Bestand HOAI 2009
15 amtliche Begründung zu § 35 HOAI 2009 Leistungen im Bestand

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